Hute- und Schneitelwald in Bad Bentheim – Erhalt eines einzigartigen Wald-Biotops
Hutewälder gehören zu den von der Vernichtung bedrohten Biotopen, die viele seltene Tier- und Pflanzenarten beheimaten und außerdem zum natürlichen Klimaschutz beitragen. Hutewälder, in denen noch aktiv Waldweide betrieben wird, sind extrem selten. Daher stellt der Hute- und Schneitelwald in Bad Bentheim deutschlandweit eine Besonderheit dar, denn seit 2012 werden hier wieder Gallowayrinder und Niederländische Landziegen des Tierparks Nordhorn gehalten und die Hainbuchen geschneitelt, so dass dieser Wald in seiner speziellen Form erhalten bleibt. Hier haben bedrohte Arten wie der Juchtenkäfer (Eremit) oder auch die Bechsteinfledermaus ein Zuhause gefunden.
Die Kombination von alten Huteeichen und Schneitelhainbuchen stellt zudem eine nahezu einzigartige Kombination unter den noch erhaltenen Hutewäldern dar. Durch diese Kombination wurde nicht nur Mastfutter (Eicheln), sondern auch Grünfutter im Wald produziert.
Durch regelmäßige Gratisführungen der Grafschafter Naturschutzranger durch dieses Gebiet, aber auch buchbare Programme der Zooschule des Tierparks Nordhorn wird auf die Bedeutung des Hutewaldes als einzigartiges Ökosystem aufmerksam gemacht. Somit verknüpft dieses Projekt den Erhalt des Hutewaldes mit seiner endemischen Flora und Fauna mit einer öffentlichkeitswirksamen Bildungsarbeit für den Naturschutz.
Details
- Projektträger:
- Tierpark Nordhorn gGmbH
- Adresse:
- Heseper Weg 140
48531 Nordhorn - Förderprogramme:
In der Initiierungsphase des Projektes gab es eine Investitionsförderung von 150.000 Euro. Hierdurch wurde die Fläche aufgearbeitet, Außenzäune und notwendige Einrichtungen zur Tierhaltung angelegt. Für die Beweidung und die Waldpflege erhält der Tierpark eine jährliche Unterstützung des Landkreises von rund 15.000 Euro.
- Kooperationspartner:
- Landkreis Grafschaft Bentheim, NLWKN, Fürstliches Haus Bentheim
Projektbeschreibung
Hutewälder sind Wälder, die Menschen als Futter- und Weidefläche für ihr Vieh benutzt haben. Sie sind also eine Form der Kulturlandschaft, die aber schon seit Jahrtausenden besteht und mit Zunahme der Stallhaltung in der Neuzeit, letztlich aber mit der intensiven Landwirtschaft Mitte des 20. Jahrhunderts aufgegeben wurde. Die Nutzung der Wälder als Weideflächen veränderte das Ökosystem dieser Wälder. Durch das Vieh wurden nachwachsendes Grün abgefressen und so entstanden über die Jahrhunderte lichte Wälder mit wenig Unterwuchs und einzelnen, großkronigen alten Bäumen. In diesen Wäldern gab es viel Totholz und vor allem die Baumarten, deren Früchte als Viehnahrung dienten – also Eicheln und Bucheckern – waren in diesen Wäldern erwünscht. Zudem siedelten sich licht- und wärmeliebende, aber auch auf Totholz spezialisierte Arten an.
Die Waldweide wurde seit dem 17. Jahrhundert seltener und letztlich komplett aufgegeben. In vielen ehemalige Hutewälder wurde daraufhin Forstwirtschaft betrieben oder sie verdichteten von alleine. Heute sind Hutewälder laut der Roten Liste gefährdeter Biotoptypen des BfN und des BMUV von der vollständigen Vernichtung bedroht. So sind Deutschlandweit vor allem in Nordhessen und Westniedersachsen Relikte und selten auch beweidete Hutewälder zu finden. Da sie viele bedrohte Tier- und Pflanzenarten, vor allem Totholzbewohner und lichtliebende Arten beheimaten, sind erhaltene Hutewälder von großer Bedeutung und stehen meist unter Naturschutz.
Einer der wenigen erhaltenen Hutewälder, die heute in Deutschland beweidet werden, ist der Hute- und Schneitelwald in Bad Bentheim. Er ist wahrscheinlich einer der ältesten Waldböden Deutschlands und die Nutzung als Hutewald erstmals im 14. Jahrhundert schriftliche bestätigt. Wie intensiv dieser Hutewald genutzt wurde, belegen Zahlen wonach zu Beginn des 16. Jahrhunderts bis zu 3500 Schweine jährlich im Herbst zur Eichelmast eingetrieben wurden. Im Jahre 1885 wurden nachweislich über acht Monate 900 Kühe und 1200 Schafe in den Wald getrieben, hinzu kamen noch Pferde, Ziegen und Gänse. Für zusätzliches Futter wurden die Baumkronen der Hainbuchen regelmäßig beschnitten, und zwar durch Kopfschneitelung. Somit ist der Wald in Bad Bentheim Hute- und Schneitelwald zugleich, was nur an wenigen Orten europaweit zu finden und eine kulturhistorische Besonderheit ist.
Vor etwa 125 Jahren wurde die Nutzung des Bad Bentheimer Waldes als Hute- und Schneitelwald aufgegeben, nachdem er vorher mindestens 600 Jahre als solcher genutzt wurde.
Im Jahre 2012 starteten der Tierpark Nordhorn in Zusammenarbeit mit dem NLWKN, dem Landkreis Grafschaft Bentheim und dem Fürstlichen Haus Bentheim ein Projekt, um den Hute- und Schneitelwald als solchen wiederzubeleben. Auf 26 Hektar wurde die alte Kulturform der Waldweide wiedereingeführt und somit der Hutewald vor seinem natürlichen Untergang bewahrt. Gallowayrinder und Niederländische Landziegen verrichten hier von März bis Oktober wie in den vergangenen Jahrhunderten die Arbeit vor Ort und schaffen einen einzigartigen Natur- und Kulturraum. Die meist sehr alten Hainbuchen werden von Mitarbeitern des Tierparks wie früher geschneitelt und treiben seitlich aus, sodass ein einmaliger Wald entsteht, wie er vor Jahrhunderten noch deutschlandweit üblich war. Nicht nur die Pflanzenwelt und ihre seltenen Reliktbäume, vor allem seltene Arten wie die Bechsteinfledermaus, der Hirschkäfer und der Eremit (Juchtenkäfer) haben durch dieses Projekt eine echte Überlebenschance. Der Eremit sei hier besonders erwähnt, denn er ist auf alte Bäume mit Totholzanteil angewiesen, so wie sie vor allem in Hutewäldern vorkommen. Er ist ein Urwaldrelikt und gilt als Schirmart – denn Bäume, die für ihn geschützt werden, bieten vielen anderen Arten von Käfern, Pilzen und Fledermäusen ein Zuhause.
Zudem erhalten seltene alte Nutztierrassen wie die Niederländischen Landzeigen wieder eine Aufgabe. Getreu dem Konzept „Erhaltung durch Nutzung“ bietet dieses Projekt auch bedrohten Nutztierassen wieder eine Überlebenschance.
Als regionales Arten- und Naturschutzzentrum setzt sich der Tierpark Nordhorn für einen ganzheitlichen Ansatz ein. Nicht nur der Erhalt dieses einzigartigen Biotops, sondern auch die Einbindung und Sensibilisierung der Menschen ist wichtig. So ist es nicht nur möglich, den Hutewald in Bad Bentheim auf zwei verschiedenen Wegen zu erkunden, sondern es werden auch Führungen mit den „Grafschafter Naturschutzrangern“ angeboten. Zweimal im Monat von April bis Oktober stehen diese kostenfrei jedem offen, können aber auch von privaten Besuchergruppen und Schulen gebucht werden. So informieren sich die Menschen vor Ort über die Einmaligkeit dieses Ökosystems, lernen seine bedrohten Bewohner kennen. Die Besuchenden erleben so den Naturschutz hautnah und werden für ihn sensibilisiert.
Ebenso ist der Hutewald wichtige Forschungsfläche. Verschiedene Forschungsarbeiten aus unterschiedlichen Fachrichtungen wurden und werden hier durchgeführt.